Jahre, Monate, Tage, Stunden, Minuten, ......Ewigkeiten
Vom Autor vorgetragen werden Texte aus „Punkt Karos Echo“. Jean Boskja Missler wählte dafür 4 Texte aus, die als Partitur vorliegen, aus der folgt improvisiert der Vortrag mit dem Horn, das vorgibt, dem folgt der Text als Gesang. Die Performance eröffnet eine Reihe musikalischer Lesungen von Jean Boskja Missler, in der die Notationen ersetzt werden und die Skizzen für die Kompositionen durch lesen von Texten, durch betrachten von Bildern, durch vorgelegtes, durch stumme Filme, immer durch den Focus auf die Dinge anstelle der „Partitur“ gefunden werden, mag sein das dann auf diesem Weg eine Komposition entsteht, die klassisch notiert, weitergegeben werden kann.
Teil 1
Ich teilte mich, sagte beiden Händen, geht, führte sie im Tanz, tastete die Luft. Im Stollen blies Wind entgegen, mit Flügelschlag, erträumt aus meiner Hand Kuhle und Fingerkuppen, trieb ich ein Spiegelspiel, wobei beide Hände gleiches taten, wie so oft. Vorbei an der Grotte, da unten tuckerte schon ein Weile jemand hin und her. Ach was, da hinein, ein Zimmer, ein offener Schrank, eine blaue Jacke, in der Tasche Mais, ein paar trockene Körner, hinter dem Spiegel ragte eine Zeitung heraus, datiert auf den 2. Mai 1907, angestrichen die Besprechung eines neu erschienenen Buches, Punkt Karos Echo. Ich las und fand mich wieder, in den kurzen Absätzen, den Beschreibungen eigenartiger Zustände, dem Hin und Wieder und mehr. Ich steckte das Blatt wieder an seinen Platz, stand eine Weile, betrachtete verstaubte Schlipse, das Geschirr auf dem Brett. Dann griff ich mir den schmalen roten Schlips und band ihn mir unter den Hemdkragen. Der mit blauer Jacke rotbeschlipste Punkt Karo war fertig. Den Block noch in die Tasche, den Stummel, den Kugelschreiber. Wieder kam ich an der Grotte vorbei, nun steckte ich den Kopf hinein, ein Willkommen, der alt bekannte Wasserheld, wie damals in Uniform, Kapitän auf allen Meeren. Er stand am Pumpenschwengel, verteilte heilendes Wasser, versprach es und reichte mir ein Glas. Salzig schmeckte es, bitter, roch nach süßen Blüten. „Die Kleider hierhin“, befahl er, duldete keinen Widerspruch, wollte mir schon das Wasser über den Leib gießen, ich sollte die Stufen hinab ins Becken steigen, da tauchte ich ins salzige Wasser, samtig kühl, so angenehm, die Wirbel vom Planschen spiegelten sich an der Decke. Ich plantsche auf der Stelle, mit dem Fuß vor dem Stein auf dem ich eine Weile saß, da klang ein Horn, Rinnsale tropften, vor mir stürzte Wasser zu einem Vorhang, grün verborgen hielt ich mir die Ohren zu, es brauste. Der Wasserheld rief, „Die Treppe hinauf“. Ich war gewaschen, griff meine Sachen, schob mich am Wasserheld vorbei, der stupste mich, ganz unvermittelt, da stand die Frau, „Sybille“, sagte sie, „Du bist in meiner Grotte“, der Wasserheld, „Frag sie nur“. Ich hatte keine Fragen auf der Lippe, ich blieb stumm, sie blieb es auch, meine blaue Jacke gefiel ihr und mein Schlips brachte sie zum Lachen.
Teil 2
Ich habe rosa Pupillen. Ein feines Glas ist das. Die Perlen aber Rubin. Klebrige Tropfen auf dem Moos der Mauer. Ich habe weisse Haut. Ich schreibe dir bald auf meine Weise, was ich noch möchte. Keine Langeweile. Liste für Liste. Auf die Haut geschrieben. Die letzen Schritte bergauf mit rosa Augen. Auf dem Moos der Galerie liege ich an die Wand geschmiegt. Meine schönen Augen, die stelle ich mir vor. Ich hocke davor, stütze mich auf die Hände beim anschauen. Du hast dich in Loden gehüllt, bist kein Jäger. Nein, will ich auch nicht sein. Sieh jetzt dahin. Nicht mir in die Augen. Ich liege schon lange auf dem Rücken und strecke die Beine. Das weisse Kaninchen hat rosa Augen, sitzt neben mir, ich kann es anfassen. Echos klingen, vom Ufer drüben. So will ich schlafen, sag ich beinahe trotzig, schließe die Augen, die Lider. Lege auch die Hand noch drüber. Ich bin schon tief im Berg, das fühle ich und garnicht willig anderswo zu sein. Das ich bald, wenn ich wieder aufgestanden bin, hin zu der nächsten Biegung, den sich stetig wandelnden Gang, nur noch im Türspalt durch spähen finden, will ich nicht wissen, das soll nicht sein. „Dort gibt es Türen“, flüstert der kleine Vogel ins Ohr. „Steig auf und schäl dich aus dem Jägerloden. Wickel dich in Tannenbäume, wenn du kannst. Wir fanden keine Welt, die dir zu Füßen lag. Nur die kleine Kugel, die warm dir in der Hand liegt und dich schmeichelt wenn du vorwärts schreitest. Töne willst du mir vom hellsten bis zum tiefsten blasen. Das ist gerecht“. Nun da ich unverzagt und ledig schweren Stoffes wie hohler Wind geformt aus Schattentuch, das unverbrannt noch Formen zeugt, so lange und wenn es brennt, sich noch entscheiden kann, lieber in den stillen See zu tauchen, als nasser Lappen mir zur Kühlung. Nun da der Mantel weg, trag ich zwei bunte Säcke links und rechts am Hosenbein und bin mit nackter Brust doch gut gerüstet. Denn warm ist hier der Stollen. Auf gehts, voran, da oben hör ich Stimmen, die mir sehr vertraut, wie ein schönes Lied, den Abend bis zum Morgen bringen. Bald werd ich sehen, Licht in Kammern, neben meinen Gängen, Sonnen werden auch da sein, wo ich genug der Sterne hab gesehen, will ich im Gleißenden ein wenig summen. Da brummt es schon im Gang, riecht nach frischen Blättern. Es ist bald Mai.
Teil 3
Mein Kopf ist ein leerer Ballsaal. Abgedunkelt steht mein Bett am brackigen Wasser. Salz. Vergorenes Gras. Teer. Schwebend im Klang, erhobene Arme. „Klatsch“. Wind baucht den Vorhang, flattert, Licht schiesst Strahlen, „Oh heilige Qualle“, Licht aus dem Meer, Auge meiner Ahnen. Das Meer teilt sich, Bäche, Flüsse, mit Ufern gesäumt, tauche die Tücher, kühle die Luft, es schreien die Frösche, keine Musik mehr im Lärm, schreien, schreien. Kaum stürzt das Wasser kristallklar, gemildert, Zirpen und Pfeifen, Gackern, Glucksen, den Stein in die Mitte geworfen, ich will dir sagen, ich sage es klingend, „Schau, mein Kopf ist eine Tanzhalle, gib deinen Groschen her, wirf ihn ein“, heute ist ein Buttermilchtag, binde dir ein Sträußchen, sieh, es hängt an der Planke, knarrend, der Mond, im Topf hinter der Scheibe, kocht Käse, fegt mit Reisigbündeln, dein Sträußchen zum Mond, der Käsestullen kaut, durch die Scheibe glotzt, triefäugig, dicke Nase, „Los Wolke, schieb dich davor, sogleich, wie schwarze Raben, bomm, bomm, …..“, acht Takte, gleich auf die Beine, auf die Planke gesprungen, humpelnd mit Brötchentüte, „Kaffee“, den Tisch vors Fenster geschoben, frische Trauben vom Himmel gepflückt, Kissen geschüttelt, hinterm Wasserfall in der Gischt, die Fenster aufgerissen, zum Marktplatz, keine Barrikaden, voran, die Luft ist rein, nimm das Äffchen, halt den Hut auf, „Guten Morgen“, frohlockend im Chor, im weißen Kleid, beim goldenen Blech, kurvend, trillernd, Getrappel, Pferdearsch, den Eimer geschnappt und hinterher, jetzt, lande sanft, rolle, spanne in die klirrende Sonne, decke das Licht ab, mit Hand und Hut, seltsam, mein Kopf ist ein leerer Saal, ich bin draußen, im Licht der Dinge, die sich darstellen mit Charme, weichen mit grazilen Verrenkungen umeinander, wenig Zeit verbraucht und doch ganz ruhig, der Arm schmeichelt durch die leichtere Luft und paddelt dann im Wasser, leckt Tropfen auf, fährt sich mit der Zunge übers Maul, den Finger in die Daumen geschmiegt, die Faust zum Fernglas, die Ohren zum Wummern gebracht, keuchend am Halsband gehalten, eine Fliege saust nahe.
Teil 4
Eine lose Abfolge hinlänglicher Ereignisse, Kissen gerückt, in die Schuh geschlüpft, der hellblaue Schal liegt auf dem Bauch, auf den Pullover gemaltes Bild schaut Schwarz, Weiß, Blau heraus, eine Zigarette an die Lippen geklebt, balanciert, zusammengekniffen und gewippt, Glut an der Spitze, Rauch gekräuselt in die Luft gepustet. Ach, was soll das heißen, Verzicht, auf das, Trompete spricht, „Ihr Zauderer, lasst mehr geschehen!, bevor ein nasses Laken weht“. Gerüche, Teer ins Schienenbett gegossen, am heißen Sommertag, große Bäume geben Schatten, Veilchen ruhen, der Flieder duftet neben Teer. Strohballen säumen die Straße, Motorräder knattern, verströmen süßlichen Geruch. Was sagt die Nase?, „Dann ist Sommer", ja! Aus dem Seitenwagen lehnt ein Tänzer, berührt die Straße mit der Schulter, fast. Lass uns Mäuse füttern, Ratten auch, die angstvoll blicken. Letzte Nacht, in einer Kiste, auf Sand, da schlief ich unter Decken, ich roch nach kaltem Teer. An dem Tag im Kino, mit neuen roten Schuhen, „Die sind Rot“, das bellen Hunde, Grillen zirpen es, mit roten Schuhen, grub ich den Tag aus, der in Luft hing, da warf der Wind, das los gerüttelte Schild, nach unten, das war am Nachmittag, vor der Bäckerei, beinahe auf die Tische. Es stoppte jäh vor einem Löwen aus Porzellan, der dennoch kippte, zur Seite fiel, er landete mit Krach, der dicke Schädel schrammt vorbei, ein Gast blickt ruhig auf das Geschehen, der schwere Löwen prüft die Kante, als läge eigener Wille vor, unter den Locken im Porzellan. Was schon geborgen war, lag in der Karre, gut an der Kante, der schwere Löwe fiel, Seile wurden angebunden, sachte nachgelasssen, nichts zerschlagen. Pause. Die Bergung wurde abgebrochen, hingelaufen, mit den Mundwinkeln gezuckt. Dann schlug ich mein Buch auf, prüfte, Köpfe im Buch versunken tauchten auf und staunten, Zeichnungen, auf weichem Grund, ganz offenporig, helle gelbe Haut, wie Lederlappen, da stand die Bleistiftspur und gaukelte Bewegung vor, als ich zwischen den Seiten etwas fand, das lose in den Händen hing, wie ein altes Handtuch. Am Ende der Geschichte trage ich schon Geborgenes zurück, was schön begann, verloren. Was bleibt mir? Der weiße Löwen aus Porzellan, den lasse ich liegen, der glänzt schon wieder, in der Sonne.
Jean Boskja Missler
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